5 Jahre Corona – eine Abrechnung

5 Jahre Corona – eine Abrechnung

Lessons learned

Der berechtigte Teil der Kritik

Im Großen und Ganzen war das deutsche Pandemie-Management besser als es die mediale Berichterstattung suggerierte. Ich bin überzeugt, dass der Großteil der handelnden Personen aus der Politik nach bestem Gewissen und Gewissen gehandelt hat. Ausnahmen bestätigen die Regel (Stichwort: Maskendeals).

Aus diesem Grund sind auch die Skandalisierungsversuche, die von interessierter Seite bis heute on- und offline unternommen werden, überzogen. Es braucht weder Untersuchungsausschüsse noch parlamentarische Aufarbeitungen in 16facher Ausführung; und schon gar nicht das vom harten Kern der Schrägdenkerszene bisweilen geforderte zweite Nürnberger Tribunal.

Die Lehren, die man aus der Corona-Zeit für eine hypothetische nächste Pandemie ziehen kann, sind begrenzt. Jede Pandemie ist anders: die R-Werte, die Pathogenität, die Übertragungswege, die Inkubationszeit.

Wenn es überhaupt über den konkreten Fall hinaus wirkende lessons learned gibt, dann vielleicht diese drei:

  • Falls wir es in einer künftigen Pandemie erneut für notwendig erachten, Maßnahmen zur Kontaktreduzierung zu ergreifen, dann sollte die Lastenverteilung tendenziell zugunsten der jüngeren Generation ausfallen. Soziale Isolation über einen längeren Zeitraum hinweg fügt der psychosozialen Entwicklung von Heranwachsenden großen Schaden zu. Entsprechende Warnungen aus den Sozialwissenschaften wurden zwar gehört, aber insgesamt möglicherweise nicht stark genug gewichtet. Konkret bedeutet das: hat man die Wahl zwischen ausgedehnten Schulschließungen und Einschränkungen in der Arbeitswelt, dann sollte man sich tendenziell für letzteres entscheiden.
  • Eines der traurigsten Kapitel der Corona-Pandemie war die monatelange Isolierung der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Diese Einrichtungen ähnelten zeitweise dem Hochsicherheitstrakt in einem Gefängnis, mit Insassen, die faktisch entmündigt waren. Unseren ältesten Mitmenschen in ihrer letzten Lebensphase den persönlichen Kontakt zum engsten Familienkreis zu verwehren ist aus meiner Sicht unmenschlich. Man muss dieser Personengruppe unbedingt mehr Autonomie und Entscheidungsfreiheit zugestehen. Das Restrisiko einer Ansteckung – mit allen potenziellen Folgen – ist meines Erachtens in Kauf zu nehmen, sofern sichergestellt ist, dass der Pflegeheimbewohner seine Entscheidung in freier Selbstbestimmung trifft.
  • Eine Politisierung der Corona-Maßnahmen ist unbedingt zu vermeiden. Die teils umstrittenen Entscheidungen der Ministerpräsidenten-Konferenz führten zu viel Unmut und Politikverdrossenheit. Die öffentlich demonstrierte Uneinigkeit und das frustrierende Dominanzgehabe einzelner Landesfürsten schadeten der Effizienz des Pandemie-Managements und wurden zu den stärksten Triebfedern für die Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen; für Rechtsextreme, Staatsverächter und sonstige Bewirtschafter politischer Instabilität war es ein Leichtes, Profit aus dieser Gemengelage zu ziehen.
    Im Falle einer zukünftigen Pandemie lautet die dringende Empfehlung, statt der MP-Konferenz einen mit Experten besetzten Krisenstab einzurichten (etwa nach dem Vorbild der 2015 aufgelösten Schutzkommission des Bundesinnenministeriums), welcher der Regierung konsensual verabschiedete Maßnahmen vorschlägt. Die Regierung exekutiert diese Maßnahmen lediglich und lässt somit größtmöglichen Raum für eine rationale Pandemiebekämpfung ohne politische Hahnenkämpfe.

Schlussbemerkung:

Meiner Erfahrung nach sind die meisten Menschen nicht besonders gut darin, sich nach einer überstandenen Krise gedanklich in den Zustand davor zurückzuversetzen. Diese Schwäche führt dazu, dass es in allen politischen Fragen eine große Zahl ausgewiesener a-posteriori-Experten gibt, die – ausgehend vom aktuellen Wissensstand – den Entscheidern der Vergangenheit Fehlleistungen vorwerfen, und die fest davon überzeugt sind, dass sie das Rätsel vom Ei des Kolumbus gewiss viel früher gelöst hätten, wenn man sie damals nur gefragt hätte.

Es muss immer wieder betont werden: ob eine Handlung richtig oder falsch, klug oder unklug, zu loben oder zu tadeln ist, kann und muss ausschließlich auf der Basis der zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannten Faktenlage (bei wissenschaftlichen Fragestellungen auch Stand der Forschung genannt) beurteilt werden. Stellt sich im Einzelfall heraus, dass eine frühere Entscheidung im Lichte neuen Wissens anders hätte getroffen werden sollen, dann spricht das NICHT gegen diejenigen, die diese (inzwischen als suboptimal erkannte) Entscheidung getroffen haben, sondern FÜR diejenigen, die in der Zwischenzeit zur Mehrung des Wissens beigetragen haben.


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