Barbing wird grün
Eine kleine Gemeinde in der südlichen Oberpfalz erlebt ihr grünes Wunder.
Politik in Barbing läuft wie auf Schienen: gut geschmiert und in aller Regel lautlos. Die beiden bestimmenden Fraktionen im Gemeinderat – CSU und Freie Wähler – sind in vielen Dingen einer Meinung und unterscheiden sich oft nur in Nuancen voneinander. Der einzige SPD-Vertreter im Rathaus steht auf verlorenem Posten, wenn sich die beiden großen Fraktionen die Bälle zuspielen.
Echte Vielfalt sieht anders aus.
Nun wäre es sicherlich ungerecht zu behaupten, dass alles falsch laufe in der nördlichsten Gemeinde südlich der Donau. Im Gegenteil: die Wirtschaftszahlen sind stabil, die Einwohnerzahl wächst von Jahr zu Jahr, und die Lebensqualität ist so hoch, wie man es von einer Gemeinde im Speckgürtel einer der attraktivsten Mittelstädte Deutschlands erwarten darf. Wenn die Bürger dennoch vereinzelt schlechte Laune haben, dann liegt die Vermutung nahe, dass dies weniger mit katastrophalen Fehlentscheidungen des Bürgermeisters zu tun hat als vielmehr damit, dass der typische Oberpfälzer sich manchmal erst dann so richtig wohl fühlt, wenn er was zu schimpfen hat.
Und trotzdem beschleicht einen das Gefühl, es müsse in unserer Gemeinde mehr geben als das träge Wechselspiel zwischen rechts-konservativer Mitte und mitte-rechtem Konservativismus. Ein blinder Fleck auf der kommunalpolitischen Landkarte ist auszumachen, der darauf harrt, mit Inhalten gefüllt zu werden.
»Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.«
Das war das Motto einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, die sich Anfang 2024 zusammenfanden, um in der Gemeinde Barbing eine Grüne Ortsgruppe zu gründen.
Die Initiative fällt nicht zufällig in eine Zeit, in der den Bündnisgrünen ein rauer Wind aus den (a)sozialen Echokammern entgegenschlägt. Die Ampel steht unter Druck, und Grünen-Bashing wird zum Wir-sind-das-Volkssport: Ausdrücke wie Habeck’s Heiz-Hammer, Schnitzel-Verbot und Kriegstreiber sind Beispiele für vulgär-intellektuelle Idiome unserer Zeit, mit der berechtigten Aussicht, dereinst ins historische Schwarzbuch unserer Republik Eingang zu finden.
Je mehr sich ein Teil der Bürgerschaft darauf zu einigen schien, dass die Grünen die Hauptgegner innerhalb des politischen Spektrums, und ganz zweifellos die Wurzel allen Übels seien, um so mehr stellte sich bei den beiden Initiatoren der Ortsgruppengründung Matthias K. und Thomas S. ein Störgefühl ein:
Wie war es möglich, dass sich so viel Hass über der Grünen Partei entlud, während man gleichzeitig die verächtlich-machenden und offen Demokratie-zersetzenden Botschaften des rechtsextremen Mitbewerbers AfD schulterzuckend hinnahm? Und nicht nur das: Jeder 6. Wahlberechtigte ihrer Heimatgemeinde fand die vor Menschenfeindlichkeit und Gehässigkeit triefenden Einlassungen der AfD offenbar so sympathisch, dass er sich – mutmaßlich getrieben vom heiligen Zorn auf das woke Establishment – motiviert sah, bei der Europawahl 2024 den Haken respektive das Kreuz bei der AfD zu machen.
Die folgenden Fragen trieb die Gründer besonders um: Wie war es um die politische Kultur in Barbing bestellt? Wie dachte die viel zitierte schweigende Mehrheit in der Gemeinde? Die beiden beschlossen, es herausfinden zu wollen, und machten sich auf die Suche nach Gleichgesinnten.
Eine aktive Bürgerschaft
Zwölf im besten Wortsinn besorgte Bürger taten sich schließlich zusammen, um am Aufbau einer Grünen Ortsgruppe Barbing mitzuarbeiten.
Man ist versucht, in Anlehnung an einen niederbayerischen Politiker und selbsternannten Volkstribun auszurufen: »Wir holen uns die demokratische Kultur zurück!«
Doch Barbings Grüne verzichten bewusst auf derart laute Töne; denn gerade das Laute, Schrille ist es doch, was sie als Teil des Problems diagnostizieren. Stattdessen nehmen sie sich vor, der Nachdenklichkeit und der abwägenden Analyse die Ehre zu geben. Überhaupt: die grüne Ortsgruppe Barbing will nicht gegründet werden, um Lautsprecher von Ideologen zu sein. Pragmatische Problemlösungen sind ihr Anliegen, denn: der Kompromiss ist der Sieg des Weisen.
Zum Schluss sei ein Wortspiel gestattet: die Grüne Ortsgruppe Barbing will die Kommunalpolitik nicht aufmischen, sondern sie will bei ihr mitmischen – als aktive und engagierte BürgerInnen.